Wer darf meine offenen Positionen schließen?
In vielen Foren und Broker-Bewertungen beschweren sich Trader immer wieder über die Tatsache, dass ihre offenen Positionen scheinbar grundlos geschlossen werden. Das ist insbesondere dann ärgerlich, wenn die Schließung mit teils erheblichen Verlusten verbunden ist. Doch dürfen Broker oder andere Dritte einfach so Orders schließen? Wir klären auf!
Inhaltsverzeichnis: Wer darf meine offenen Positionen schließen?
7 Gründe, warum offene Positionen geschloßen werden
Bevor wir ausführlich darauf eingehen, wer Positionen schließen kann, müssen wir uns erst die Gründe einer Orderschließung genauer ansehen. Denn aus der Frage nach dem Warum lässt sich auch leicht die Antwort auf das Wer ableiten.
Grund Nr. 1: Die Position wurde händisch geschlossen
Dank moderner Online-Brokerage der verschiedenen Banken und Online-Broker gestaltet sich der Wertpapierhandel auch für Privatinvestoren angenehm leicht.
Viele Privatkunden verfolgen dabei die langfristige Buy-and-Hold-Strategie, bei der Aktien, Fonds und Anleihen gekauft und über Jahre im Depot verwahrt werden. Erst danach werden sie manuell und gewinnbringend wieder verkauft.
Führen Sie ein Gemeinschaftsdepot als Oder-Depot, kann auch Ihr Partner ohne Ihre Zustimmung Positionen schließen, neue Wertpapiere hinzukaufen oder Sparpläne ändern.
In solchen Fällen werden oft Positionen händisch geschlossen, ohne dass eine Absprache zwischen beiden Depot-Inhabern bestand.
Grund Nr. 2: Kurs erreicht Stop-Loss- oder Take-Profit-Wert
Vor allem im Handel mit Hebelprodukten werden meistens zur Ordereröffnung Kurswerte definiert, bei denen ein erzielter Gewinn einkassiert wird (Take-Profit-Point bzw. Limit) oder mögliche Verluste bei einem Kursrutsch eingedämmt werden (Stop-Loss).
Grund Nr. 3: Depot wird extern verwaltet
Haben Sie Ihr Portfolio einem Vermögensverwalter anvertraut, investiert dieser in Ihrem Interesse und nach Ihren Vorgaben Ihr Kapital in Wertpapiere.
Um eine definierte Portfoliozusammenstellung immer zu gewährleisten – etwa 60 % Aktien und 40 % Anleihen – muss der Vermögensverwalter etwa einmal im Jahr ein Rebalancing durchführen, um dieses Verhältnis wieder herzustellen.
Dabei werden einige Wertpapiere verkauft und andere hinzugefügt. Sie als Depotinhaber können in der Portfolioübersicht diese Veränderungen beobachten.
Grund Nr. 4: Margin Call
Im CFD-Handel werden für jede Order Margins als Sicherheiten hinterlegt. Rutscht nun das Gesamt-Kapital auf dem Trading-Konto unter 50 % der hinterlegten Margins – das Stop Out Level -, kommt es zum sogenannten Margin-Call, bei dem betroffene Positionen automatisch geschlossen werden.
So kommt es nicht zu einem Totalverlust, Sie als Trader können gegen die Zwangsschließung allerdings nichts unternehmen.
Der Broker informiert Sie im Vorfeld aber, wenn Ihr Gesamtkapital eine kritische Marke unterschreitet. In diesem Moment können Sie noch selbst kritische Positionen schließen oder Kapital nachschießen, um einen Margin-Call zu verhindern.
Grund Nr. 5: Fonds wird abgewickelt
Fonds und ETFs sind eine immer beliebtere Variante für Privatpersonen, auch mit kleinen Geldbeträgen in den Aktienmarkt zu investieren und langfristig Kapital aufzubauen.
Doch wie jedes Wertpapiergeschäft ist kein Fonds zu 100 % krisensicher und kann bei fallenden Märkten hohe Verluste verzeichnen. Fondsmanager haben dann die Möglichkeit, von ihnen verwaltete Fonds zu schließen und bestenfalls später wieder zu öffnen.
Ist dies nicht der Fall und haben Fondsmanager nach einer bestimmten Zeitspanne bislang nicht genügend Geld, um die Anleger auszuzahlen, wird der Fonds abgewickelt und aufgelöst.
Solange ein Fonds geschlossen ist, können Sie Ihre Anteile nicht zurückgeben, aber an Börsen und im Direkthandel verkaufen.
Kommt es jedoch zur Abwicklung, werden mit dem verwalteten Fondsvermögen zuerst laufende Kredite bedient und die Verwaltung sowie die Depotbank bezahlt. Sie als Anleger erhalten zum Schluss nur etwa 25 % des aktuellen Anteil-Wertes.
Grund Nr. 6: Verletzung der AGB
Ist der Broker der Auffassung, dass Ihre Trading-Handlungen nicht den AGBs entsprechen, ist er entsprechend einer Klausel dazu berechtigt, betreffende Positionen eigenmächtig zu schließen oder das Konto gänzlich zu sperren.
Der Broker kann selbst entscheiden, ob eine bestimmte Verletzung vorliegt und entsprechend eingreifen. Eine Vorankündigung ist nicht notwendig.
Ihr Broker kann offene Positionen etwa dann selbst schließen, wenn Sie sich nicht an Vorgaben wie dem Scalping-Verbot halten.
Doch auch im automatisierten Trading kann es schnell – und teilweise ungewollt – zu AGB-Verletzungen kommen. Etwa, wenn der geschriebene Algorithmus gezielt bestimmte Spikes (sehr kurzfristige Kursausbrüche) für das Platzieren und schließen einer Marktorder ausnutzt oder mehrere Positionen in sehr kurzen Zeitfenstern hintereinander öffnet und wieder schließt.
Grund Nr. 7: Dritte haben unerlaubt Zugriff auf das Depot bzw. das Tradingkonto
Gehen Sie nicht sorgsam genug mit Ihren Zugangsdaten um, können sich Dritte unerlaubt Zugang zu Ihrem Tradingaccount bzw. zu Ihrem Aktien-Depot verschaffen.
Das kann dann passieren, wenn Sie veraltete oder einfache Sicherheitsmechanismen nutzen, Ihre Zugangsdaten und TAN-Generator offen herumliegen lassen oder Ihr Online-Banking bzw. die Bank selbst gehackt wurde.
Sind sie erst einmal in Ihrem Depot, können Unbefugte Wertpapiere nicht nur übertragen, sondern auch Positionen schließen und das Geld auf andere Konten transferieren.
Mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen ist dieser Fall sehr unwahrscheinlich. Zudem erlauben viele Banken Geldüberweisungen vom Verrechnungskonto nur auf das hinterlegte Referenzkonto.
Wer kann und darf Positionen schließen?
Fassen wir die Erkenntnisse aus dem oberen Abschnitt nun zusammen. Eine offene Position kann von mehreren Parteien wieder geschlossen werden, teilweise sogar, ohne dass Sie etwas dagegen unternehmen könnten. Der tatsächliche Personenkreis mit Zugriff auf Ihre offenen Positionen hängt dabei stark vom gewählten Depot-Konzept ab.
Folgende Personen und Institutionen können theoretisch Positionen und Orders schließen:
- Sie als Depotinhaber
- Eventuell Ihr Partner als zweiter Depotinhaber
- Ihre Bank bzw. Ihr Broker
- Fondsmanager
- Vermögensverwalter
- Unbefugte Dritte
Inwieweit der Eingriff in Ihr Depot berechtigt ist, lässt sich nur individuell klären. Grundsätzlich gilt aber:
- Banken und Broker können jederzeit Kauf- und Verkaufsorders schließen, sobald eine Rechtsverletzung Ihrerseits vorliegt oder es aus markttechnischen Gründen erforderlich ist.
- Sofern Sie ein Oder-Gemeinschaftskonto ohne zusätzliche schriftliche Vereinbarungen führen, kann auch der Mitinhaber Positionen ohne Absprache schließen.
- Fondsmanager können im Krisenfall Fonds schließen und abwickeln, dieser Prozess dauert aber mehrere Jahre und Sie werden im Vorfeld über das Vorgehen informiert.
- Vermögensverwalter dürfen in regelmäßigen Abständen Umschichtungen für das Rebalancing durchführen, wobei einzelne Positionen geschlossen werden können.
Vorsicht vor unseriösen Brokern!
Oft werden in Brokerbewertungen bestimmte Tradinganbieter immer wieder beschuldigt, ohne erkennbaren Grund einzelne Positionen zu schließen. Oft sogar dann, wenn diese Positionen im Verlustbereich sind.
Das betrifft fast ausschließlich unseriöse Broker, die nur ihre Kunden immer weiter ausnehmen wollen. Früher betraf das fast alle Anbieter für den Handel mit binären Optionen. Heute sind binäre Optionen in Europa verboten.
Doch woran erkennt man einen kritischen Broker? Folgende Liste gibt Ihnen wichtige Anhaltspunkte:
- Der Broker hat seinen Hauptsitz außerhalb Europas oder in einer Steueroase (z. B. Malta oder Israel)
- Der Broker ist erst seit Kurzem auf dem Markt aktiv
- Das Auftreten ist extrem werbend und der Handel wird übertrieben positiv dargestellt
- Vorgeschriebene und wichtige Warnungen werden nicht oder nur versteckt dargestellt (etwa der vorgeschriebene Risikohinweis über den CFD-Handel und die Verlustquote beim CFD-Broker)
- Die Kursdaten weichen teils stark von denen einschlägiger Portale ab (etwa von investing.com oder TradingView)
- Der Support ist faktisch nicht existent und speist Ihre Anfragen mit Standardphrasen ab
- Es gibt vereinzelte sehr negative Kundenbewertungen, oder
- Der Broker kommt auf einschlägigen Bewertungsportalen gar nicht vor, oder
- Es existieren nur auf unbekannten Websites besonders positive und auffällig allgemein gehaltene Bewertungen
Zusammenfassung
Neben Ihnen selbst können theoretisch auch andere Parteien auf ihre offenen Positionen zugreifen und diese verändern. Wer genau dazu berechtigt ist und in welchem Umfang dies geschieht, hängt ganz von Ihrer gewählten Depotform ab.
Je weniger Personen Zugriff auf Ihr Portfolio besitzen und je umsichtiger Sie mit Wertpapieren handeln, desto unwahrscheinlicher werden offene Positionen unerwartet geschlossen.
FAQ – Häufig gestellte Fragen
Kann der Broker meine offenen Positionen schließen?
Ja, in bestimmten Situationen ist Ihr Broker dazu berechtigt, laufende Positionen zu schließen. Ein solcher Fall tritt dann ein, wenn Sie mit Ihrem Wertpapierhandel gegen die AGB verstoßen – etwa durch Scalping oder nachweisbarer Marktmanipulation.
Kann bei einem Gemeinschaftskonto der zweite Inhaber meine gesetzten Positionen schließen?
Sofern es sich um ein Oder-Konto handelt, ist das möglich. Bei dieser Kontoart können beide Depotinhaber unabhängig voneinander Wertpapiere kaufen und verkaufen – sofern keine schriftliche Zusatzvereinbarung besteht. Dadurch kann Ihr Partner auch von Ihnen gesetzte Positionen ohne Ihr Einverständnis auflösen.
Haben Hacker meine offenen Positionen geschlossen?
Das ist aufgrund der immer komplexeren Sicherheitsmaßnahmen zwar unwahrscheinlich, aber möglich. Nutzen Sie veraltete TAN-Verfahren oder unsichere Passwörter, haben professionelle Hacker oft leichtes Spiel. Oftmals sind es aber Familienmitglieder oder Bekannte, die Zugang zu Ihren Zugangsdaten und Verifizierungsgeräten haben, die unerlaubt Änderungen an Ihrem Depot vornehmen.
Werden laufende Positionen automatisch geschlossen?
Sie können immer zu jeder Order eine automatische Schließung definieren, sobald der Kurs einen bestimmten Wert erreicht. So können Sie sich vor zu hohen Verlusten schützen (Stop Loss) oder einen bereits erreichten Gewinn einkassieren (Take Profit). Je professioneller Ihr Handelssystem ist, desto komplexere Order-Regeln können Sie aufstellen und automatische Schließungen von weiteren Faktoren abhängig machen.
Ist eine automatische Gewinnmitnahme sinnvoll?
Auf jeden Fall ist es sinnvoll, bereits erreichte Gewinne vor Kurseinbrüchen zu schützen und rechtzeitig einzustreichen. Es ist fast unmöglich und mehr vom Zufall abhängig, im Wertpapierhandel maximale Gewinne zu erzielen. Es ist daher immer besser, einen bestimmten Gewinnpunkt zu definieren oder mit einem Trailing-Stop den Kursverlauf zu verfolgen, bis er sich in die entgegengesetzte Richtung dreht.
Ihnen wurden bereits ohne Ihr Wissen offene Positionen geschlossen? Oder brennt Ihnen zum Thema eine Frage auf der Zunge? Wir freuen uns in jedem Fall, von Ihnen zu hören!